Stachelschwein und Touchscreen

Wer mit geschärftem Blick und polierter Optik durch die Parkanlagen und Grünstreifen dieser Republik schnürt, wird unschwer erkennen: Es wird Herbst. OK, man kann auch mit hungriger, raubtierhafter Grandezza durch die Supermarktregale schleichen und sich Spekulatius, Lebkuchen und Marzipan in den Einkaufswagen stapeln, um diese, nach Vollzug des profanen Bezahlvorganges, in den heimischen Vorratsschrank zu speditieren. Auch daran erkennt man, dass Herbst ist. Tragischerweise bleibt es aber nicht beim Einkauf, nein, es muss ja verspeist werden, das Eingekaufte. Und das macht dick. Ergo muss man sich bewegen, am Besten in freier Natur.

Wer dann also mit geschärftem Blick und polierter Optik durch die Parkanlagen und Grünstreifen dieser Republik schnürt, wird unschwer erkennen: Es wird Herbst. Und vielleicht wird es dem Betrachter mit der gleißenden Helligkeit einer 25-Watt-Birne gewahr: Diese Erkenntnis hätte ich auch ohne den Umweg über den Supermarkt erlangen können.

Also nochmal: Er ist Herbst!

Für die einen das Ende des Sommers, gepaart mit dem Versprechen auf einige letzte warme Tage. Für die anderen, der Beginn der Bastelzeit. Allen voran natürlich die Kindergärtnerinnen und Grundschullehrerinnen, die in 1. jährlich wiederkehrender Monotonie und 2. riesigen IKEA-Einkaufstaschen Eicheln, Kastanien, Zahnstocher und Uhu (den Klebstoff, nicht die Eule) in die Gruppen- und Klassenräume wuchten, um ihre Schutzbefohlenen mit grenzdebiler Begeisterung dazu zu bringen Zahnstocher in Eicheln und Kastanien zu bohren, auf dass am Ende dabei ein Hund entstehen möge. Die ganz einfallslosen Bratzen prügeln in eine Kastanie ca. 325.798 Zahnstocher, in der Hoffnung ein Stachelschwein zu generieren. Wie das aussieht, haben die Unterhaltungselektronik affinen Gören zuvor auf ihrem Iphone gegoogelt. Da sie aber in der Bedienung eines Smartphones deutlich besser geschult sind als darin, Holzstücke in unbescholtene Kastanien zu prökeln, sehen die Ergebnisse entsprechend aus. Eine mit Zahnstochern grausam niedergemetzelte Kastanie ist dann nicht nur in einem höchst beklagenswerten Zustand, sie sieht zudem auch noch total bescheuert aus.

Da aber natürlich all überall das Hohelied der positiven Verstärkung angestimmt werden muss, werden Justin-Benedikt und Amanda-Chantal für ihre verbrecherischen und zudem noch unästhetischen Handlungen über den grünen Klee gelobt. Solcherlei in verantwortungslosester Manier von ihrer eigenen Begabung überzeugt, schleppen sie die Beweise ihrer, durch Abwesenheit glänzenden, Begabung mit nach Haus. Die dort bereits in Lauerstellung befindliche Frau Mama hat nun verschiedene Optionen auf angemessene Reaktionen: 1. Auch sie gerät in Ekstase und Bewunderung, ob der Kreativität ihrer Brut, 2. Sie stellt die Hund, Katze, Maus, Elefant, Regenwurm oder Einzeller gewordenen Eicheln und Kastanien dorthin, wo nach Totensonntag die Weihnachtsdeko  Platz finden muss. Hat Mutter dann doch eine gute Ausrede, diese unharmonischen, in ihren Proportionen an eine Kreuzung aus dem Elefantenmenschen und Frankenstein erinnernden Staubfänger, die schon beim Aufstellen drei Mal auseinanderfallen und nur dank der handwerkliche Genialität der Hausherrin überhaupt stehen können, alsbald zu entsorgen, 3. Sie lobt das, vollkommen zu Unrecht, vor Stolz platzende Kind und suggeriert ihm, dass das doch ein tolles Geschenk für die Omi sei, die sie nächste Woche besuchen wollen. Großmütter sind schon per Definition dazu verdammt alles toll zu finden, was die Enkel so anschleppen. So ist frau den Krempel los und kann ganz nebenbei der Schwiegermutter unter dem Deckmantel der „Ich-denk-an-Dich-Attitüde“, mal wieder eins auswischen.

Merket auf, liebe Kindergärtnerinnen und Grundschullehrerinnen!

Zahnstocher gehören in den Mund, zwischen die Zähne. Das sagt ja schon der Name. Oder lässig in den Mundwinkel. Dort sehen die Dinger auch deutlich cooler aus als in einer Kastanie.

Uhu gehört in den Wald oder geschnüffelt.

Eicheln und Kastanien gehören als Wurfgeschosse in Kinderhände. Dort wirken sie durchsetzungsfördernd und bereiten, in Diskussionen gezielt eingesetzt, auf das zukünftige Leben in unserer elenden Leistungsgesellschaft vor.

Ihnen allen einen schönen Herbst.