Gemüseabo & Dinkelbrot
„Schatz, wollen wir ein Gemüseabo, wenn die Kinder aus dem Haus sind?“
Kennen Sie das, wenn Sie gerade ganz weit weg sind, also gedanklich, und über so wichtige Themen nachdenken, wie Sie z.B. am elegantesten die fällige Steuererklärung Ihrer Frau überbügeln? Und als hätte sie es geahnt, lenkt die liebwerte Gattin mit schlafwandlerischer Sicherheit Ihre Gedanken zurück auf den Pfad der Tugend.
Theo-Schatz steht gerade mit dem Rücken zum Raum in der Küche und ist dabei Milch aufzuschäumen, um Paula den sonntäglichen Cafe-au-lait zum Frühstück zu servieren. Er zuckt zusammen, verreißt den Milchaufschäumer und kann so gerade eben verhindern, dass die Glaskanne mitsamt der heißen Milch auf den Bodenfliesen zerschellt und sich flächendeckend im Raum verteilt.
G E M Ü S E A B O ?
Jetzt ist es soweit, denkt Theo, jetzt schlägt sie zurück. Schon seit Wochen und Monaten droht Paula damit, den Spieß umzudrehen und sich seine Fressattacken zunutze zu machen, um Chips, Schokolade und Gummibärchen durch Vollkornbrot, Brennesselkäse und Obst zu ersetzen.
„Hase, die meisten Eltern holen sich ein Theaterabo, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Da gehen sie dann zwei bis drei Mal hin, ärgern sich, dass sie es haben, und versuchen es zügig wieder loszuwerden. Nein, ich möchte kein Theaterabo. Aber du kannst natürlich gerne eins haben.“
„Ich werde doch wohl noch ein Theaterabo und ein Gemüseabo voneinander unterscheiden können! Höre mir genau zu, dicker, alter Mann: Geee-müüü-seee! Theee-aaa-teeer! Das klingt nicht mal ähnlich! Natürlich meine ich ein Gemüseabo.“
„Na schön, ich geb auf. Was, also, ist ein Gemüseabo?“ Theo ist ganz Demut.
„Mensch, Papa, das ist, wenn du deine Wurzel einmal im Monat ins Haus geliefert bekommst.“
Unfassbar: Sein eigen Fleisch und Blut. Tu quoque, fili?
„Also Suppengrün von Fleurop?“
„Wenn es denn hilft, ja. Suppengrün von Fleurop.“ Paula winkt ab.
„Warum?“
„Wie? Warum? Wir müssen uns dringend gesünder ernähren!“
„Dringend oder erst wenn die Kinder aus dem Haus sind? Weil dringend ja doch eher was hat von „sofort“, aber du hast ja gesagt, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Und da denke ich, ich frage lieber mal nach. Also, vergewisserungsmäßig gesehen…“ Er verstummt.
„Dringend!“
„Oh…“
Ein paar Tage passiert dann erst mal nichts und so verflüchtigt sich das Gespräch ins Diffuse. Aber nur bei Theo.
„Sage mal, Gevatter, du könntest dich doch mal kümmern und herausfinden wo es einen Biosupermarkt gibt. Du bist ja eh viel unterwegs, da wäre es ja ganz praktisch. Wir könnten ja mal anfangen mit einem echten, original Biobrot. Du darfst auch die Sorte aussuchen.“
Was für eine Verlockung, denkt Theo, und so googelt er sich durch die Stadt und betet zu Ceres, der römischen Göttin des Ackerbaus, dass dort, wo er sich beruflich rumtreibt, kein Biosupermarkt verfügbar ist. Wie heißt es so schön? Die Hoffnung stirbt zwar zuletzt, aber sie stirbt. Und Ceres höchst selbst verpasst Theos Hoffnung den Gnadenschuss. Ist ja aber auch kein Wunder, fällt ihm, leider zu spät, ein: Ceres ist schließlich auch, nebenberuflich sozusagen, die Göttin der Fruchtbarkeit und der Ehe. Und als Frau ja schon mal so gar nicht auf der Seite der Männer. Vielleicht hätte er sich doch an Mars wenden sollen. Der, als nebenberuflicher Schokoriegel, seiner Ernährung ohnehin viel näher steht.
Theo steht also im Eingangsbereich des Supermarktes seines Misstrauens und sondiert erst einmal die Lage. Rechterhand der Bäckereitresen. Den Blick auf die verschiedenen Brotsorten gerichtet, tritt er näher und möchte eigentlich nur mal sehen was es alles so gibt, und was es denn kostet. Plötzlich wächst eine klapperdürre Bäckereifachverkäuferin vor ihm aus dem Boden und fragt Theo leicht berlinernd, aber dafür laut nach seinem Begehr:
„Naa, Meester? Wat darfst denn sein?“
Veganerin im Endstadium, vermutet Theo.
„Ach, eigentlich möchte ich mir erst einen Überblick über ihr Sortiment verschaffen.“
„Jaja, und dann später noch mal wiederkommen, wa? Det kenn ick. Det machen alle Männer die von ihren Frauen jeschickt wern, beim ersten Mal. Ist fast wie Entjungferung. Eenmal is immer det erste Mal, sach ick immer, wa. Hilft aber nüscht. Nu mach ma hinne, ick hab gleich Mittach.“
„Ja, also, dann nehme ich bitte ein Dinkelbrot.“
„Jut. Noch wat?“
„Danke.“
„Danke ja, oder danke, nee?“
„Das wärs für heute.“
„Also, danke nee. Nee, nee. Lass ma, bezaaln musste anne Kasse. Tschöö.“
Theo nimmt sein Brot und trollt sich. Wenn er schon als Neuling aufgefallen ist, kann er sich auch richtig umschauen. Und so wie ein Trüffelschwein unweigerlich die sündteuren Knollen in der Erde findet, so findet auch Theo. Und zwar nicht weniger als seinen Antrieb, wieder zu kommen. Wieder und immer wieder, bis er alles durch probiert hat: Biochips, Bioschokolade und Biogummibärchen.
Verdammt gute Idee, sich gesünder zu ernähren.
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